Old as new
Oft erkennt man den Wert alter Dinge erst durch neue Entwürfe. Studio Kalff und Carpet of Life machen aus „alt“ brandneu – und das mit beeindruckenden Ergebnissen. Designerin Roos Kalff vom Studio Kalff bringt alte Schönheit und ein modernes, funktionelles Design durch die Wiederverwendung von Glas auf einen gemeinsamen Nenner.
Designerin Roos Kalff vom Studio Kalff bringt alte Schönheit und ein modernes, funktionelles Design durch die Wiederverwendung von Glas auf einen gemeinsamen Nenner.
„Ich liebe alte Glaswaren. Die Farben, die Facetten – ich finde das wahnsinnig interessant und wollte schon immer damit arbeiten. Schon bald nach meinem Abschluss an der Rietveld Akademie entdeckte ich, wie ich altes Glas auf eine moderne Art und Weise wiederverwenden konnte. Heute kreiere ich daraus Objekte wie Vasen und Lampen, wobei der ursprüngliche Gegenstand eine ganz neue Funktion erhält. Auf der Suche nach altem Glas reise ich quer durch die Niederlande und Belgien. Ich stöbere in Trödelläden und auf Flohmärkten und komme immer mit einem Auto voller Sachen zurück. Obwohl die Wiederverwertung alter Sachen für mich gar nicht im Vordergrund stand, ist es natürlich ein schöner Gedanke, einem alten, ausrangierten Gegenstand neues Leben einhauchen zu können und etwas Schönes zu kreieren, an dem dann wieder jemand Freude hat. Und wenn so ein alter Kuchenteller dann als Lampe oder Kunstobjekt bei Kunden in aller Welt landet, ist das natürlich toll!“
Da Roos hauptsächlich altes Glas verwendet und das Angebot sehr unterschiedlich sein kann, ist jedes Stück ein Unikat. Und dennoch bilden sie zusammen eine Einheit. So zum Beispiel auch die neuen Pendant Lights „Juliet“, für die Roos Vintage-Glas und mundgeblasenes Glas in verschiedenen Farben miteinander kombiniert und mit dezenter LED-Beleuchtung ausstattet. Alle Modelle dieser Serie sind zwar verschieden, zeichnen sich aber durch das unverkennbare Studio-Kalff-Design aus. Die Verwendung von mundgeblasenem Glas ermöglicht es Roos, noch detailliertere Maßarbeit anzufertigen: „Mundgeblasenes Glas ist in jeder gewünschten Farbe erhältlich. Dadurch lassen sich Kreationen gestalten, die nicht ausschließlich vom gerade vorhandenen Vintage-Glas abhängig sind. Auf diese Weise kann ich ganz auf die persönlichen Wünsche und Farbvorstellungen meiner Kunden eingehen und individuelle Maßanfertigungen liefern. So arbeiten wir beispielsweise gerade an exklusiven Leuchten für ein renoviertes Schloss mit zehn Meter hohem Treppenhaus in Dänemark. Ein Riesenprojekt! Und genau der richtige Ort für meine Lampen, weil sie dort etwas wirklich Märchenhaftes bekommen. Die gläsernen Lampen und das LED-Licht wirken zusammen wie ein verlängerter Kronleuchter. Sie kommen in diesem großzügigen Ambiente, in dem Geschichte und Moderne Hand in Hand gehen, erst so richtig zur Geltung.“
Durch das Upcycling der alten Glaswaren und die Anfertigung auf Bestellung kann der Abfall auf ein Minimum reduziert werden. Das ist eine gute Sache, genau wie die Aufwertung alter Dinge, die eigentlich niemanden mehr interessieren. Trotz allem hat das Jahr 2020 auch neue Erkenntnisse gebracht: „Es scheint uns eine gute Idee, etwas mehr Ware auf Lager zu haben, damit unsere Kunden auch „von der Stange“ kaufen können. Das sorgt für mehr finanziellen Spielraum und ich glaube, dass auch ein Markt dafür vorhanden ist.“ Zweifellos, denn man holt sich schließlich einen einzigartigen Blickfang ins Haus! - studiokalff.com

Hester Ezra ist Mitbegründerin von Carpet of Life, einem Unternehmen, das in Marokko wunderschöne Teppiche aus alten Kleidungsstücken zur Erinnerung an besondere Momente weben lässt.
„Ich helfe Unternehmen dabei, die Welt positiv zu verändern und bin Mitentwicklerin mehrerer ethischer Marken. So entstand auch Carpet of Life. Vor einigen Jahren war ich in Marokko, in einem entlegenen Gebiet in der Sahara, an der Grenze zu Algerien. Weil es dort wenig Arbeit gibt, verlassen viele Männer ihre Heimat, um anderswo Arbeit zu suchen, während sie ihre Familien zurücklassen. In M’hamid el Ghizlane lernte ich eine Gruppe von Frauen kennen und wollte mit ihnen und einigen anderen Organisationen gemeinsam nach Möglichkeiten suchen, ihre wirtschaftliche Lage zu verbessern.“
Hester untersuchte zunächst mit den Frauen, wo ihre Kompetenzen lagen. Häkeln und Sticken kamen zur Sprache, ebenso wie die Verarbeitung von Gewürzen. Diese Suche führte schließlich zu einer umsetzbaren Idee. „Ich wusste, dass Nomadenfrauen traditionell Teppiche weben, die sogenannten Boucherouites, die als Schlafmatten verwendet werden und zur Standardeinrichtung eines jeden Zeltes gehören (Zelt und Hausrat sind übrigens immer Eigentum der Frau). Diese Teppiche wurden früher aus Kamelhaar, Ziegen- und Schafwolle hergestellt. Da diese Materialien aber immer teurer und knapper wurden, begann man in den 60er-Jahren, die Teppiche aus Textilresten herzustellen. Ich überlegte mir, dass wir in den westlichen Ländern sehr viele Textilreste haben. Alte Kinderkleidung, ehemalige Lieblingsklamotten, die nicht mehr passen und Kleidungsstücke von verstorbenen Familienmitgliedern. Wie schön wäre es da, wenn man aus diesen persönlichen Kleidungsstücken einen Boucherouite-Teppich zur Erinnerung an eine unvergessliche Reise, einen lieben Menschen oder einen bestimmten Lebensabschnitt knüpfen oder weben lassen könnte?“
Wunderschön, wie die Beispiele auf der Website von Carpet of Life zeigen! Nicht nur wegen der dekorativen Optik eines solchen handgeknüpften Teppichs, sondern auch wegen der besonderen Geschichten, die damit verbunden sind. Und so einfach geht es: Sie wählen auf der Website ein Design aus oder fertigen selbst einen Entwurf an, suchen die gewünschten Textilien zusammen und Carpet of Life bringt diese zu den Teppichknüpferinnen. Die Frauen erhalten Ihre Textilien und die damit verbundene Geschichte. Daraus fertigen sie einen Teppich für Sie an, den Sie dann nach drei bis fünf Monaten nach Hause geliefert bekommen. Ein Boucherouite als Erinnerungsstück oder zum Andenken an einen besonderen Lebensabschnitt.
„Das Schönste daran ist, dass die Frauen durch Carpet of Life auch im vergangenen Jahr, trotz der Corona-Krise, ein geregeltes Einkommen hatten. Marokko ist zu einem großen Teil vom Tourismus abhängig, der derzeit auf Eis liegt. Durch das Teppichknüpfen haben sie es nicht ganz so schwer. Auch 2021 werden wir wieder mit Modeketten und Innenraumausstattern zusammenarbeiten, um Teppiche aus Textilresten herstellen lassen zu können. Wir möchten das Geschäft ausbauen und einen nachhaltigen wirtschaftlichen Impuls für die Frauen im Süden Marokkos schaffen.“ - carpetoflife.com


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